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Magazin Berliner Morgenpost Sonnabend, 27. September 2003

Zeit für dich wird Zeit für mich

In Berlin leben rund 250.000 Menschen allein, die älter als 65 Jahre sind. Der Verein "Lange Löffel" will bei der Unterstützung und Pflege von Senioren neue Wege gehen: Ehrenamtliche werden mit Zeitgutschriften honoriert

Sozialarbeiter, die aus ihrer Berufspraxis das Ausmaß der Vereinsamung hilfsbedürftiger Senioren kennen, haben sich in Zehlendorf mit engagierten Mitbürgern zusammengeschlossen und nach zweijähriger Vorbereitungszeit den Verein "Lange Löffel" gegründet. "Den Namen haben wir aus dem Märchen ,Himmel und Hölle'", so Andreas Urner (42), der Initiator des Projektes. "Lange Löffel steht als Motto für unser Bemühen, sich in gegenseitiger Verantwortung zu unterstützen, einander Hilfestellung zu geben und füreinander einzusetzen."

Konkret wollen die Mitglieder des Vereins die Senioren in ihren Wohnungen, Heimen oder Krankenhäusern besuchen, sie bei Arztbesuchen und Behördengängen begleiten, Hilfestellung bei Patientenverfügungen und behördlichen Schreiben bieten, Unterstützung im Haushalt leisten und pflegende Angehörigen durch die Betreuung der Kranken entlasten. Dabei geht der Verein neue Wege. Unter dem Motto "Zeit für dich wird Zeit für mich" erhalten die Aktiven für ihre ehrenamtlichen Dienste Zeitgutschriften. Die Verrechnungseinheit der Zeitgutschriften heißt Löffel. Gleich welche Arbeit die Aktiven leisten, sie erhalten zwei Löffelpunkte pro Stunde auf ihrem Vereinskonto gut geschrieben. Diese "Gutzeit" kann bei Bedarf gegen andere Leistungen getauscht werden oder aber gespart und in späteren Jahren, bei eigener Hilfsbedürftigkeit, wie eine Zusatzrente abgerufen werden. Die Idee, ehrenamtliches Engagement mit Zeitgutschriften zu honorieren, haben die Initiatoren des Vereins von den Seniorengenossenschaften entlehnt. "Mit diesen Zeitgutschriften erhält jedes Mitglied die Möglichkeit, im Bedarfsfall selbst Hilfe in Anspruch zu nehmen", so Andreas Urner. "Und sie bieten einen Anreiz für das Engagement jüngerer Menschen, denn sie können ihre Zeitgutschriften auch an bedürftige Partner oder die Eltern weitergeben."

Zweimal in der Woche betreut Uta Stiller (41) die 82-jährige Elfriede Schuster. Sie hilft ihr im Haushalt und erledigt die schweren Einkäufe. "Das ehrenamtliche Engagement ist häufig ein einseitiges Geben. Aber Frau Schuster ist noch absolut fit im Denken. Sie könnte über den Verein Kindern noch Geschichten vorlesen, die Wohnung von Nachbarn betreuen, wenn diese im Urlaub sind, und sich somit Zeitgutschriften ansparen", so Uta Stiller. "Sie hätte noch eine Aufgabe und wäre gestärkt, weil sie noch gebraucht wird." Frau Stiller hat über die Kirchengemeinde von dem Projekt "Lange Löffel" erfahren und will sich hier weiter engagieren. "Über das gleichberechtigte Geben und Nehmen erreichen wir vielleicht auch Menschen, die sich sonst nicht ehrenamtlich betätigen würden."

Das Mit- und Füreinander von Jung und Alt zu fördern, ist auch das langfristige Ziel der Langen Löffel. Sie wollen ihr Angebot auch auf die Unterstützung von allein Erziehenden und Familien in Notlagen erweitern. "Wir denken schon daran, einen Großelterndienst einzurichten und würden für die Schülerbetreuung gern ein ,Alt hilft Jung' Projekt einrichten", so Urner. Wegen der Größe Berlins will der Verein seine Aktivitäten auf den Bezirk Zehlendorf beschränken. Er hofft aber, dass sich ähnliche Initiativen auch in den anderen Stadtteilen bilden und will diese beim Aufbau beraten und unterstützen.

Liebe Leser, der Verein stellt sich morgen um 18 Uhr im Rahmen des Abendgottesdienstes mit anschließendem Abendessen in der Evangelischen Stephanusgemeinde an der Mühlenstraße in Berlin-Zehlendorf der Öffentlichkeit vor. Die Gruppe der "Langen Löffel" arbeitet unter der Trägerschaft des Diakonischen Fördervereins der Ev. Stephanus-Kirchengemeinde. Weitere Infos unter www.lange-loeffel.de oder im Büro, das für Beratung und Informationen montags zwischen 17.30 und 19.30 Uhr geöffnet ist, unter Tel.: 84 72 87 86.

Günter Hoffmann

Berliner Morgenpost vom: 27.09.2003
URL: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2003/030927/ttt/story631662.html